Mein Oberkörper zitterte, während ich versuchte, tief durchzuatmen. Tränen liefen mir heiß das Gesicht hinunter und ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, wie es so weit kommen konnte. Ich fühlte mich 10, 20 Jahre zurückgeworfen. Da schien plötzlich nichts mehr vom Frieden Gottes und der Freude an Christus vorhanden zu sein. Im Gegenteil. Ich fühlte mich nicht nur leer, sondern auch verlassen.
Wenn Kopf und Herz nicht kooperieren
Ja, in meinem Kopf kannte ich die Wahrheit. Ich weiß und wusste immer (seit ich Christ war), dass Gott gut ist. Ich weiß, dass er mich liebt und mich nie im Stich lässt. Wie der Apostel Paulus im Römerbrief schreibt, da gibt es nichts, was mich trennen könnte von der Liebe Gottes in Christus Jesus. Er, der seinen eigenen Sohn für mich gab, damit ich gerettet wurde, würde er mir mit ihm nicht alles schenken? Zumindest hieß es das doch in Römer 8,32. Was war also das Problem? War alles zu wenig? War das beste nicht genug?
Ich ertappte mich dabei, wie ich mit Gott verhandeln wollte. „Herr, ich weiß, dass alle Dinge zu meinem Besten dienen. Aber vielleicht wäre das zweitbeste auch gar nicht so schlecht…“ Sobald ich den Gedanken gefasst hatte, wusste ich, wie absurd er war. Natürlich würde ich eines Tages Gott dafür danken, dass er diesen Weg mit mir ging. Er würde mir zum Besten und ihm zur Ehre dienen. Und wenn ich offen dafür war, könnte ich vielleicht sogar jetzt schon erkennen, wie Gott die Zeit nutzt, um an mir zu arbeiten. Aber was, wenn meine Augen dafür fest geschlossen waren? Was tut man, wenn das Herz sich weigert, die einfachsten Wahrheiten anzunehmen? Immer wieder schöpfe ich Kraft aus einer meiner Lieblingsstellen aus der Bibel.
Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja mehr noch, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und für uns eintritt. Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: »Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.« Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. (Römer 8,31-39)
Predigen lernen
Oh ja, du hast mich richtig verstanden. Ich rufe Frauen dazu auf, dass sie anfangen zu predigen. Aber nicht am Sonntagmorgen vor der Gemeinde, sondern zu sich selbst. Lerne dir selbst die Wahrheit zu predigen. Anscheinend war es Martin Luther, der sagte, der Grund weshalb wir das Evangelium jeden Tag hören müssen ist, weil wir es jeden Tag vergessen. Unsere Herzen sind nicht bloß anfällig für Lügen von außen, sie sind auch Meister darin, sich selbst welche zu spinnen. Und neben all dem kommen noch die Angriffe des Widersachers. „Sollte Gott wirklich gesagt haben?“ Die Frage der Schlange. Heute noch genauso aktuell wie damals. Enthält mir Gott etwas vor? Natürlich nicht. Aber wenn ich mir doch so sicher bin, dass ich diese eine Sache will und sonst nichts und Gott sie mir nicht gibt?
In meinem Kopf vertraue ich darauf, dass Gott es besser weiß als ich. Aber mein Herz fechtet diese Wahrheit immer wieder an. Statt auf die Zweifel zu hören und mich verunsichern zu lassen, sodass ich an den Worten zweifle, will ich darauf vertrauen, dass Gott treu all seine Verheißungen erfüllt.
- Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark. (2. Korinther 12,9-10)
- So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. (1. Petrus 5,6-7)
- Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. (Matthäus 6,31-33)
- Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. (Römer 8,28)
- Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. (Offenbarung 21,3-4)
Hast du dir die Zeit genommen, die Bibelverse in Ruhe zu lesen oder hast du sie eher überflogen? Auch wenn du die Stellen bereits kennst, lies sie nochmals ruhig für dich durch und nimm dir dabei die Zeit, nach jedem Abschnitt deine Gedanken in einem Gebet vor Gott zu bringen.
Blickrichtung
Wenn wir ständig nur über uns und unsere Situation nachdenken und uns von unseren Sorgen oder unserer Trauer vereinnahmen lassen, wird sich die Last auf uns immer schwerer anfühlen. Aber Gott hat uns nicht dazu geschaffen, dass wir so leben. Stattdessen sollen wir das Leben in Fülle haben und uns an ihm erfreuen. Darum sagt Gottes Wort uns nicht bloß, dass wir weg von uns selbst schauen sollen, sondern es zeigt uns eine Richtung an, in die wir blicken sollen. Dort zu Jesus Christus, der uns versteht. Der unsere gebrochenen Herzen heilen möchte.
Wenn Paulus im Römerbrief schreibt, dass Gott uns alles mit Christus schenkt, so ist damit nicht gemeint, dass wir ihn als unseren persönlichen Flaschengeist benutzen können und all unsere Wünsche in Erfüllung gehen. Aber er sagt damit, dass Gott uns liebt und dass diese Liebe so groß ist, dass sie unser Verständnis übersteigt. Er gab seinen Sohn für uns und legte unsere Schuld auf ihn. Statt als Sünder stehen wir gerechtfertigt, reingewaschen von aller Schuld, als seine Kinder vor ihm.
Aber das Versprechen geht noch weiter, denn als seine Kinder werden wir erben und das ist es, was er uns hier verspricht. Er wird dieses Wort einlösen, für welches sein Sohn ans Kreuz ging, und wird uns teilhaben lassen an seiner Herrlichkeit. Wir werden in Gemeinschaft mit Gott leben. Das ist die Hoffnung, die uns durch dieses Leben trägt und die Freude, die wir in Christus haben.
Aber Wissen allein ist noch keine Veränderung der Blickrichtung. Wir können unsere Herzen nicht selbst verändern, doch wir können im Gebet ausharren, es vor Gott bringen und sein Wirken erbeten, während wir weiterhin treu auf dieser Erde dienen. Es ist Gottes Eingreifen in unseren Herzen durch seinen heiligen Geist, welche Veränderung bringt.
Nach all den Gebeten, in denen ich Gott bat, dass Er eingreifen möge, dass er mein Herz verändern würde, und trotzdem nichts geschah. Nach all den Tränen, die ich vergossen hatte, die ihn nicht umstimmten und nach all den Vorwürfen, die ich leise oder laut Richtung Himmel schickte, dass ich ihm so unmöglich richtig dienen konnte, wenn er mir nicht half. Nach all meinem Trotzen und all meinen Verhandelsversuchen, hatte Gott mich irgendwann so weit, dass ich flüstern eingestehen konnte: Du bist genug. Auch wenn sich absolut nichts ändern wird. Du bist mir genug.
Als es mir wehe tat im Herzen und mich stach in meinen Nieren, da war ich ein Narr und wusste nichts, ich war wie ein Tier vor dir. Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.
Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. (Psalm 73,21-26)
Gerne würde ich sagen, dass ich einmal zu diesem Punkt gelange und dann dort verweilen kann. Aber die Wahrheit ist, dass ich mich immer wieder davon entferne. Genauso wahr ist aber auch, dass mich Gott in seiner Liebe und Barmherzigkeit immer wieder dorthin, nahe zu sich, zurückführt.
Brauchst du Hilfe?
Keine Angst, du bist nicht allein. Wende dich in deiner Gemeinde an eine Vertrauensperson. Sollten dort aber die nötigen Ressourcen fehlen, sind deine Möglichkeiten noch längst noch nicht ausgeschöpft.
Es gibt eine Vielzahl von christlichen Seelsorgern, wie z.B. die Christliche Fachstelle, die Jesus Christus im Zentrum haben, und dich auf dem Weg begleiten können.
Bibelübersetzung: Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart