Mein Blick geht in die Ukraine
Ein wenig Normalität ist bereits wieder eingekehrt. Fast schon unverschämt eine solche Aussage zu machen, aber nein, ich habe nicht den Verstand verloren und bin auch nicht absolut realitätsfremd. Denn ich meine nicht, dass wir zum vorherigen Zustand zurückgekehrt wären, sondern Normalität im Sinne von: Dies ist die neue Realität, mit der wir – und vor allem sie – leben müssen. Die neue Norm (oder eher alte Norm? Schließlich haben wir noch eine Generation, die Krieg nicht nur aus Geschichtsbüchern kennt) ist eine Welt, in der der Krieg doch nicht ganz so weit weg ist, wie er lange schien. Eine Welt, in der eigentlich nichts wirklich sicher erscheint, wenn man von einem Tag auf den anderen alles verlieren kann. Dennoch, die Entrüstung und das Unverständnis bleiben. Und dazwischen all die Gebete: Herr, Du kannst eingreifen, Du kannst helfen. Warum nur stoppst Du es nicht?
Wiederum sah ich alle, die Unrecht leiden unter der Sonne, und siehe, da waren Tränen derer, die Unrecht litten und keinen Tröster hatten. Und die ihnen Gewalt antaten, waren so mächtig, dass sie keinen Tröster hatten. (Prediger 4,1)
Mein Blick geht nach Syrien
Es ist ruhiger um Syrien geworden – oder haben andere Schlagzeilen bloß die Geschehnisse von dort verdrängt? Seit elf Jahren dauert der Krieg nun, in dem die Hälfte der Bevölkerung ihr Zuhause verloren hat. 500 000 Syrer sind gestorben, 6 Millionen mussten im Land fliehen, 5,6 Millionen flohen ins Ausland. Seit Jahren leben sie in notdürftigen Unterkünften, haben ihr ganzes Hab und Gut verloren. Die Situation ist längst nicht mehr unter Kontrolle. Was einst mit kleinen Demonstrationen anfing, artete in einen Bürgerkrieg aus, der später ein Stellvertreterkrieg wurde. Assad auf der einen Seite und die freie syrische Armee auf der anderen. Inzwischen ist der Krieg alles andere als überschaubar und verschiedene Parteien haben zur heutigen Lage beigetragen. 2015 griff Russland ein und unterstützte Assad, seine Machtposition zu erhalten. Das eiskalte Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung in Syrien weist starke Parallelen zur heutigen Lage in der Ukraine auf. Zerstörung, Verzweiflung und Tod bleibt zurück. Für die Unterstützung der Russen revanchiert sich Assad, indem er nun syrische Kämpfer in die Ukraine schickt, um Russland zu unterstützen. Ob sie wirklich eine Hilfe sind oder nur Kanonenfutter, wie gemäß dem Tagesanzeiger Omar Abu Layla, ein Syrien-Experte, sie nennt, sei dahin gestellt.
Ich weiß, dass wir in einer gefallenen Welt leben und mir ist bewusst, dass unsere Sündhaftigkeit zwischen dem Frieden und uns steht. Friede gibt es nur beim Gott des Friedens. Solange die Sünde auf dieser Welt tobt, wird es Unterdrückung und Leid geben. Doch diese Tatsache allein scheint die schwere Last noch nicht zu heben. Noch immer ist es grausam und unverständlich, was der Mensch nicht nur in der Lage ist zu tun, sondern wozu er, gibt man ihm die Gelegenheit, auch willens ist zu tun.
Es gibt keine Art von Unrecht, Bosheit, Gier oder Gemeinheit, die bei ihnen nicht zu finden ist. Ihr Leben ist voll von Neid, Mord, Streit, Betrug und Hinterhältigkeit. Sie reden abfällig über ihre Mitmenschen und verleumden sie. Gottesverächter sind sie, gewalttätige, arrogante und großtuerische Menschen, erfinderisch, wenn es darum geht, Böses zu tun. Sie gehorchen ihren Eltern nicht und sind unbelehrbar, gewissenlos, gefühllos und unbarmherzig. (Römer 1,29-31) NGÜ
Mein Blick geht nach Afghanistan
Seit die Taliban an die Macht gekommen sind, verschlechtert sich die Lage zunehmend. Letzte Woche wurde in verschiedenen Städten eine „Säuberungsaktion“ durchgeführt, wie ein Sprecher der Taliban die Hausdurchsuchungen nannte. Was darauf folgte, waren Entführungen.
Immer wieder liest man von Verschleppungen und Zwangsheirat junger Mädchen und Frauen. Unsere Brüder und Schwestern werden verfolgt und leben ihren Glauben mit dem Risiko aus, dafür getötet oder eingesperrt zu werden.
Schwer trifft die aktuelle Versorgungsnot auch Menschen mit einer Einschränkung, was in Afghanistan unverhältnismäßig viele Menschen sind. Gemäß einer Studie sind 80% der Erwachsenen und 17,3% der Kinder körperlich eingeschränkt. 40 Jahre Krieg haben ihren Tribut von der Bevölkerung gefordert.
Zu so vielen Orten könnte ich noch schauen. Nach Nordkorea, Somalia, in den Jemen, um nur einige zu nennen. Aber ist das Bild nicht das gleiche? Macht, die missbraucht wird, Arme, die leiden, Gerechtigkeit, die auf sich warten lässt und dazwischen noch unsere ganz persönlichen Kämpfe. Herr, wie lange noch?
HERR, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir?
Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele / und mich ängsten in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben?
Schaue doch und erhöre mich, HERR, mein Gott! Erleuchte meine Augen, dass ich nicht im Tode entschlafe, dass nicht mein Feind sich rühme, er sei meiner mächtig geworden, und meine Widersacher sich freuen, dass ich wanke. (Psalm 13,2-5)
Bis das Maß voll ist
Bis Gott seinen Plan erfüllt hat und Christus in Gerechtigkeit wiederkommt. Bis dahin wird diese Welt immer mit Krieg zu kämpfen haben. Ungerechtigkeit wird immer ihren Platz finden zwischen uns Menschen. So wenig wir die Bosheit in unseren eigenen Herzen völlig ausmerzen können, so wenig können wir sie aus der Welt entfernen. Das kann nur einer und unsere ganze Hoffnung liegt daher auch auf ihm. Er wird kommen und er wird Gerechtigkeit bringen. Er wird die Tränen seiner Kinder abwischen und er wird trösten, wie einem seine Mutter tröstet. Dieses Leben ist nicht alles, was ist und nicht alles, was wir haben. Daher darf unser Blick auch nicht bloß bis ans Lebensende gehen.
Blicken wir weiter, finden wir Hoffnung und Trost. Egal, wie dunkel es ist, keine Situation bleibt hoffnungslos mit Gott. Bei ihm finden wir Zuversicht und Mut fürs Gebet. Er, der alles in seinen Händen hält, für ihn ist keine Situation zu groß. Beten wir für Frieden und Gottes Eingreifen und beten wir mit einer Ewigkeitsperspektive. Für Veränderung in den Herzen, für Rettung aus der Dunkelheit ins Licht, dafür, dass Verfolger umkehren, sich vor Gott demütigen und die Herrschaft von Jesus Christus anerkennen. Wir können dafür beten, dass Gott das Leiden gebraucht und die Menschen durch das Leiden zu ihm geführt werden. Wir können für unsere Geschwister beten, für Stärkung im Glauben und eine feste Gewissheit, dass Gott bei ihnen ist, sie liebt und sie nicht vergessen hat. Und wir können dafür beten, dass die Situation ihnen zum Segen sein wird, Gott zur Ehre und ihnen zum besten.
Ich traue aber darauf, dass du so gnädig bist;
mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst.
Ich will dem HERRN singen, dass er so wohl an mir tut. (Psalm 13,6)
Mein Blick geht in mein nächstes Umfeld
So viele haben Jesus Christus noch nicht angenommen und leben nach ihrer eigenen Gerechtigkeit. So viele, dass ich versucht bin zu bitten, dass Jesus noch nicht sofort wiederkommt und sie noch Zeit haben, sich zu bekehren. Doch was, wenn alle Zeit der Welt dazu nicht ausreicht? Was ist mit all dem Leiden auf Erden, das weitergeht und das keinen Halt macht, weder vor dem ungeborenen Kind, noch vor der Großmutter? R.C. Sproul sagte einst auf die Frage, weshalb gute Menschen leiden müssen, dass dies in der Geschichte der Menschheit bis jetzt nur ein einziges Mal passiert ist – und er tat es freiwillig. Aber macht dies die Situation leichter? Nein, wenn wir es nicht schaffen, der Wahrheit in dieser Aussage zu folgen. Ja, wenn unser Blick zu Jesus geht, der gelitten hat, damit wir in ihm das volle Leben erhalten. Die Gerechtigkeit, nach der die Welt schreit, wird kommen. Aber viele werden nicht darauf gefasst sein, dass diese Gerechtigkeit auch sie treffen wird. Darum wurde Christus, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, dass wir in ihm die Gerechtigkeit haben, die vor Gott gilt (2. Korinther 5,21). Diese Wahrheit verkündigen wir, während wir auf das Kommen unseres Herrn warten und es ersehnen.
Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus. (2. Thessalonicher 3,5)
Bibelübersetzung: Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
Neue Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft
Quellenangaben: https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/afghanistan-neuste-entwicklungen
https://www.tagesanzeiger.ch/sie-eignen-sich-vor-allem-als-kanonenfutter-679910466568
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/krieg-syrien-111.html#:~:text=Vor%20elf%20Jahren%20begann%20der,f%C3%BChlen%20jetzt%20mit%20den%20Ukrainern.