Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren. (Philipper 4,4-7)
Geht es nur mir so oder hast auch du ab und zu Mühe, in Euphorie zu verfallen, beim Gedanken an Gott? Momente, in denen seine überschwängliche Liebe ein Gedankenkonstrukt und zu theoretisch zu bleiben scheint, nicht fähig, das eigene Herz zu erwärmen (was natürlich nicht stimmt). Aber warum können wir nicht ständig voller Freude durch die Welt hüpfen beim Gedanken an seine Zuneigung zu uns? Seine Güte sollte ausreichen, um uns Tag für Tag zu beflügeln. Schließlich heißt es ja auch: Freut euch im Herrn allezeit (oder wie Luther übersetzt: allewege). Und das bedeutet doch zu jeder Zeit, immer, ständig, ohne Unterbruch. Es sei denn, allezeit heißt eben doch nicht alle Zeit. Also ziehen wir uns das Buch Prediger zu Rate, weil wir die Bürde ansonsten nicht tragen könnten.
Alles hat seine Zeit
Jede Predigt, die ich bis jetzt über Philipper 4,4 gehört habe, schlug irgendwann die Brücke zu Prediger 3.
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit;
suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;
lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon. (Prediger 3,1-9)
Ein Widerspruch?
Was die meisten Prediger mit der Brücke zu diesem Text aussagen wollen, ist, dass wir auch als Christen Trauer verspüren dürfen. Wir müssen nicht jede Emotion, die nicht positiv ist, versuchen im Keim zu ersticken. Natürlich haben sie damit völlig recht, aber bedeutet dies, dass wir uns nicht allezeit an Gott erfreuen sollen? Kann die Zeit der Trauer anstelle der Freude treten? Ist der Prediger heute traurig, pflanzt er morgen einen Baum und übermorgen tötet er jemanden? Wohl kaum möchte er das damit aussagen. Der Kontext des Textes zeigt uns das Thema. Es geht um Wiederholungen und vorbestimmte Abläufe. Diese Phasen sind Teile des Lebens, die in jedem Leben immer wieder kehren und dazu gehören. Die Aussage ist, dass es sich nicht lohnt, sich zu fest an diese Dinge zu klammern, da schlussendlich alles ein Haschen nach Wind ist. Vergänglich. So schreibt der Prediger dann auch weiter:
Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen.
Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben.
Denn ein jeder Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.
Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll.
Was geschieht, das ist schon längst gewesen, und was sein wird, ist auch schon längst gewesen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist. (Prediger 3,10-15)
Somit widerspricht Paulus dem Prediger nicht, wenn er dazu aufruft allezeit fröhlich zu sein. Denn obschon sie beide ähnliche Begriffe benutzen, sprechen sie nicht von derselben Sache. Die Zeit des Lachens und die Zeit des Tanzens sind nicht die Art der Freude, zu der Paulus aufruft.
Der Aufruf des Apostels im Philipperbrief ist nicht unrealistisch oder eine zu hohe Last für uns. Wenn wir ihn denn richtig verstehen. Auch dieser Brief schrieb Paulus im Gefängnis. Für den Glauben an Jesus Christus musste er schon so vieles erdulden. Doch schreibt er auch, dass er all die Mühen gerne auf sich nimmt. Nicht weil er der tapferste Mann ist, der jemals gelebt hat, sondern weil er erkannt hat, um was es wirklich geht. Nicht nur er leidet, die ganze Schöpfung ist am Stöhnen und sehnt sich nach der Erlösung. So schreibt er im Brief an die Römer: „Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“ Mit keinem Wort leugnet er, dass Leid und Trauer existiert. In seinem Leben, im Leben der anderen, sogar in der gesamten Schöpfung. Doch lässt er dieses nicht größer werden, als das Evangelium. So kann er, selbst in Fesseln, noch sagen: Freut euch allezeit. Es ist die Grundeinstellung im Herzen. Die tiefe Gewissheit, dass selbst in den dunkelsten Zeiten Gott immer noch die Oberhand hat und weiß, was er tut. Es ist das Vertrauen, dass Gott gerecht ist und eines Tages in Herrlichkeit wieder kommen wird und alle Ungerechtigkeit beendet sein wird. Es ist das Wissen um Gottes Liebe, die wir mit keinem Stück verdient haben und nicht verlieren können, da sie alleine aus seinem Wesen entspringt. Der Blick auf seine Treue, die uns versichert, dass all seine Versprechen an uns eingehalten werden und es ist das Evangelium, dass wir lebendig gemacht wurden, seinen Geist empfingen und nun Kinder Gottes heißen. Darüber dürfen wir uns jederzeit erfreuen.
Und die Umsetzung?
Warum es manchmal trotzdem nicht so einfach ist, sich an ihm zu erfreuen? Weil wir nicht vollkommen sind und manchmal der Lüge des Widersachers mehr glauben, als Gottes Wahrheit. Dann scheinen Termine und Staus, schreiende Kinder und stressige Arbeitsplätze, wankende Gesundheit und leere Bankkonten plötzlich viel größer zu sein, als alles, was Gott ist und tut.
Vielleicht hilft es dir, wenn du dir in diesen Zeiten diese fünf Fragen stellst:
- Wer ist Gott?
- Was hat Gott getan in der gesamten Schöpfung?
- Was wird Gott noch tun in der gesamten Schöpfung?
- Was hat Gott in meinem Leben getan?
- Was wird Gott in meinem Leben noch tun?
Geh an den Ort, wo du dich daran erinnerst, in Gottes Wort. Suche die Gemeinschaft mit anderen Christen, damit ihr euch gegenseitig ermutigt. Bring deine Sorgen, Ängste und Leiden vor Gott.
Was mir immer wieder dabei hilft, mich auf Gott auszurichten, ist der Psalm 145. Darum habe ich ihn auch auswendig gelernt, weil es mir so einfacher fällt, ihn zu beten. Natürlich kann man auch betend lesen und da ich nicht alle 150 Psalmen auswendig kann, muss ich das in den meisten Fällen auch. Aber ich lege dir dennoch an Herz, dass du nicht nur Verse auswendig lernst, sondern auch Kapitel, Bücher oder einzelne Psalmen. Du wirst merken, was das für ein Segen ist, wenn du Gottes Wort im Herzen und im Kopf hast.
Bibelübersetzung:
Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
[…] nicht dazu geschaffen, dass wir so leben. Stattdessen sollen wir das Leben in Fülle haben und uns an ihm erfreuen. Darum sagt Gottes Wort uns nicht bloß, dass wir weg von uns selbst schauen sollen, sondern es […]